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Modusmodell nach J. Young

Modusmodell nach J. Young

Modusmodell nach J. Young

Das schematherapeutische Modus-Modell versteht die menschliche Persönlichkeit als Zusammenspiel unterschiedlicher Modi (Einzahl Modus, Lateinisch für „Art und Weise“). Wir fühlen und spüren und verhalten uns in Abhängigkeit der situativen Umstände in unterschiedlichen Arten und Weisen, sind also vorübergehend in einem bestimmten Modus oder Zustand. Grundlegend ist diese Flexibilität und Anpassungsfähigkeit äußerst funktional. Bei Menschen, die sich in psychotherapeutische Behandlung begeben, finden sich neben adaptiven Modi häufig auch dysfunktionale / maladaptive Modi –  Reaktionen, die intensiver sind als in der Situation zu erwarten, oder Verhaltensweisen, die zu Schwierigkeiten führen, beziehungsweise als Symptome einer psychischen Erkrankung einzuordnen sind. Ziel der Schematherapie sind Förderung und Ausbau adaptiver Modi und die Regulation dysfunktionaler Modi. (Die Übersicht der Modi können Sie bei Materialien als PDF herunterladen.)

Die vier Grundelemente des Modus-Modells sind:

  1. Kind-Modi:

    spontanes emotionales Erleben

    • Modus des Vulnerablen Kindes: Intensive schmerzhafte Gefühle von Trauer, Verzweiflung, Verlassenheit, Einsamkeit, Überforderung, Hilflosigkeit, Scham oder Schuld und tiefe Sehnsucht nach (elterlicher) Fürsorge und Versorgung; resultierend aus der biografisch frühen Frustration emotionaler Grundbedürfnisse (häufig dem Bedürfnis nach Bindung, aber auch andere)
    • Modus des Ärgerlichen Kindes: Intensive Gefühle „heißer“ oder „rasender“ Wut (ganz ähnlich der eines tobenden Kindes, es kann laut werden, es können Gegenstände zu Bruch gehen); resultierend aus der biografisch frühen Frustration emotionaler Grundbedürfnisse (häufig dem Bedürfnis nach Autonomie, aber auch andere)
    • Modus des Impulsiven Kindes: Gefühlen wird unmittelbar „freien Lauf“ gelassen, das eigene Verlangen wird ohne Rücksicht auf langfristige Konsequenzen und die Bedürfnisse anderer Menschen unmittelbar und vehement ausgedrückt; Einschränkungen von außen rufen Ärger hervor; resultierend aus der biografisch frühen Frustration emotionaler Grundbedürfnisse (häufig dem Bedürfnis nach realistischen Grenzen und innerer Kontrolle)
    • Modus des Undisziplinierten Kindes: Gefühle von Überdruss und Langeweile, begleitet von Widerstand und Ärger, nehmen quälendes Ausmaß an, wann immer alltägliche routinemäßige oder allgemein langweilige Aufgaben erledigt werden müssen; resultierend aus der biografisch frühen Frustration emotionaler Grundbedürfnisse (häufig dem Bedürfnis nach realistischen Grenzen und innerer Kontrolle)
    • Modus des Glücklichen Kindes: Gefühle tiefer Freude, Unbeschwertheit, Geborgenheit, Nähe, Verbundenheit, Genuss und ausgelassener Spaß, Versunkenheit in den Augenblick, Zufriedenheit mit sich selbst und der Welt, emotional satt; resultierend aus der angemessenen Befriedigung emotionaler Grundbedürfnisse (vor allem nach Bindung sowie nach Spontaneität und Spiel)

  1. Strafende und Fordernde Modi („Eltern-Modi“):

    Introjekte von ungünstigen bis toxischen Erwartungen, Bewertungen und Haltungen wichtiger Bezugspersonen aus Kindheit und Jugend

    • Strafender Modus: Starke bis massive Invalidierung der eigenen Person bis hin zum Selbsthass
    • Fordernder Modus: Übermäßig bis massiv überhöhte (perfektionistische) Erwartungen an sich selbst

  1. Bewältigungs-Modi:

    Ursprünglich adaptive Schutzreaktionen zur Bewältigung schmerzhafter Emotionen (repräsentiert in einigen Kind-Modi), die aus der Frustration emotionaler Grundbedürfnisse in Kindheit und Jugend beziehungsweise den toxischen Botschaften fordernder und strafender Modi resultieren und häufig als Symptome einer spezifischen psychischen Störung sichtbar werden

    • Sich fügen (Verhalten als sei die schädliche innere Botschaft wahr)
      • Angepasster Unterwerfer: Macht es allen recht, passt sich an jede äußere Anforderung an, fällt nie negativ auf, wird durch Angst motiviert
      • Selbstaufopferer: Kümmert sich um andere, stellt eigene Bedürfnisse zurück, fühlt sich verantwortlich, wird durch Schuld und Scham motiviert
    • Vermeidung (Rückzug / Vermeidung von Situationen, die schädliche innere Botschaften oder schmerzhafte Gefühle aktivieren, oder Betäubung schmerzhafter Gefühle)
      • Distanzierter Beschützer: Fühlt nichts, wirkt abwesend (oder aber sehr erwachsen / rational), dissoziiert ggf.
      • Distanzierter Selbstberuhiger: Versetzt sich durch (eine bestimmte) Aktivität oder eine Substanz in einen emotional betäubten oder „eingelullten“ Zustand, fühlt nichts
      • Distanzierter Selbststimulierer: Versetzt sich durch (eine bestimmte) Aktivität oder Substanz einen Kick, übertüncht negative Gefühle durch ein generelles „High-Gefühl“ / Adrenalin
      • Klagender Beschützer: Jammern und Klagen dient dazu Aufmerksamkeit zu bekommen, echter Kontakt entsteht nicht, Kontakt bleibt oberflächlich
      • Ärgerlicher (aggressiver) Beschützer: Hält andere Menschen durch abweisendes / ärgerliches Verhalten fern und vermeidet somit auch den Kontakt mit eigenen authentischen Emotionen
    • Überkompensation (den schädlichen inneren Botschaften den Kampf ansagen, Herr der Situation werden)
      • Selbsterhöher / Wichtigtuer: Wertet sich selbst auf und andere Menschen ab, betont eigene Wichtigkeit und Überlegenheit, zielt darauf ab, andere zu beeindrucken
      • Perfektionistisch-zwanghafter Kontrolleur: Ist äußerst gewissenhaft, hat den „one best way“, überwacht und bevormundet andere und delegiert nicht
      • Manipulierer / Lügner / Täuscher: Spielt nicht mit offenen Karten mit dem Ziel, sich Vorteile zu verschaffen, macht anderen etwas vor, um eigene Ziele zu erreichen
      • Pöbel- und Angreifer-Modus: Greift andere an, wertet ab und droht, der Affekt ist heiß, das Verhalten unkontrolliert
      • Zerstörer / Killer: Fügt anderen physischen Schaden zu (tatsächlich oder in der Fantasie), der Affekt ist kalt, das Verhalten geplant bis psychopathisch

  1. Modus des Gesunden Erwachsenen:

    Liebevolles Wahrnehmen und Versorgen eigener Gefühle und Bedürfnisse im Einklang mit den Bedürfnissen anderer Menschen; „Dirigiert“ das Zusammenspiel der anderen Modi, versorgt Kind-Modi, reguliert Bewältigungs-Modi und setzt diese ggf. bewusst und gezielt ein (statt „im Autopilot“)

In der Schematherapie wenden wir uns im Sinne der begrenzten Nachbeelterung den Kind-Modi zu und versorgen deren emotionale Grundbedürfnisse im Rahmen der therapeutischen Beziehung wie „ein guter Elternteil“ es täte. Fordernde und strafende Modi werden identifiziert und begrenzt beziehungsweise „entmachtet“. Dysfunktional gewordenen Bewältigungs-Modi werden empathisch konfrontiert und nach und nach durch funktionale, also auf wahre Befriedigung emotionaler Grundbedürfnisse abzielende, Verhaltensweisen ergänzt beziehungsweise ersetzt – im Sinne der Förderung und (Weiter-)Entwicklung des Modus des Gesunden Erwachsenen. Euthymes Erleben wird durch Ansprache des Modus des Glücklichen Kindes angestrebt.

Durch das Prinzip der Nachbeelterung wird der Patient oder die Patientin Schritt für Schritt soweit genährt und erhält ein authentisches Modell, dass bisher fehlende Introjekte gesunden erwachsenen Verhaltens im Laufe der Schematherapie mehr und mehr verinnerlicht werden. Am Ende einer Schematherapie sollte er oder sie selbstständig die eigenen emotionalen Grundbedürfnisse im Einklang mit der sozialen Umwelt befriedigen können, und zwar ohne den „Umweg“ über stetig im Alltag auftretende Bewältigungsreaktionen.

Die Entmachtung der Eltern-Modi und die Regulation des Auftretens der Bewältigungs-Modi im Rahmen einer Schematherapie gehen einher mit einer Reduktion der Symptome der psychischen Störung, wegen der Patient*innen sich in Behandlung begeben.

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